Samstag, 17. April 2010

Kritik und Gegenkritik und Kitik an beidem

Gut zwei Wochen nach Ostern hat ein gewisser Hans Küng, ein ehemaliger Theologe, einen Brief geschrieben ... einen offenen.

Über die Unsitte offener Briefe könnte man jetzt viel sagen, aber ich erspare es mir.

Der Brief wurde erwartungsmäßig medial hochgejubelt, teilweise als Evangelium angenommen, aber blieb auch nicht ohne Kritik, z.B. hier http://sensuumdefectui.blogspot.com/2010/04/hansis-revoltchen.html

Dem Tenor dieser Kritik kann ich ja durchaus zustimmen (und nichts liegt mir ferner als eine Küng-Apologie), aber dennoch ist mein Kommentar zweischneidiger Art:

(Zitate sind entweder die dem Küngschen Brief, oder, wenn in eckigen Klammern, Ulrichs Kritik entnommen.)

-"Mein theologisches Schaffen verstand ich stets auch als Dienst an der [Spaltung der] Kirche."

Nein, Küng arbeitet keineswegs an der Spaltung der Kirche sondern an nur größerer und größerer Einheit. Küng, wie so viele Liberale, lieben insgeheim das (so nie reale) Bild von der völligen Einheit von Kirche und Gesellschaft (oder gar allen Religionen) im Mittelalter. Und diese will er herstellen, diesmal halt auf Kosten des Glaubensgutes. Kolossal irregeleitet, tendentiell totalitär und eindeutig kirchenfeindlich, aber nicht "spalterisch".

-"War die Bemühung um die Einheit der Kirche (mit Gruppen, mit denen man sich verständigen kann und die keine Glaubenssätze leugnen"

Naja, wenn damit die SSPX gemeint sein sollte, dann wird sich erst noch herausstellen, ob man sich verständigen kann. Ich hoffe das beste, aber zweifeln kann man dennoch. Daß die SSPX (wenn sie denn gemeint ist) angeblich "keine Glaubenssätze leugnen" würde, verschleiert nur daß sie dennoch z. Zt. schismatisch-häretisch ist.

- "die Wiederherstellung von Ordnung in der Liturgie"

Irgendwie habe ich davon nichts mitbekommen. Benedikt hat die Tridentinische Messe in größerem Maße wieder zugelassen und ihr eine neue Karfreitagsfürbitte verpaßt. Ansonsten wüßte ich nicht, wo er "Ordnung in der Liturgie", im Ordentlischen Römischen Ritus (der es ja auch nicht nötig hat) oder der Praxis geschaffen hätte (was auch nicht seine primäre Aufgabe ist).

- "Vertan die Annäherung an die evangelischen Kirchen: [Ein gewisser Christus ist monogam, habe ich mir sagen lassen.] Sie seien überhaupt keine Kirchen im eigentlichen Sinn, deshalb keine Anerkennung ihrer Ämter"

Sowohl Küng als auch seine Kritik (mit dem Hinweis auf die Monogamie) verkennt, daß der Papst z.B. die getrennten Ostkirchen eben durchaus als Kirchen im eigentlichen Sinn betrachtet (siehe Dominus Iesus). Küng verkennt außerdem, daß die Ämterfrage keine Folge dieser Einschätzung ist sondern koexistent mit ihr. Die Verwendung des Begriffs "Abendmahlsfeiern" ist in der Tat bezeichnend. Vorschlag: wäre Herr Küng mit gemeinsamen Abendessen zufrieden?

-"Vertan eine nachhaltige Verständigung mit den Juden: Der Papst führt eine vorkonziliare [Huhuu ... vorkonziliar] Fürbitte für die Erleuchtung der Juden wieder ein"

Ja toll! Der Papst führt eine solche Fürbitte in den "vorkonziliaren" Ritus ein, ersetzt damit eine halbgare "nachkonziliare" Fürbitte (die durch Streichung eines skandalös gewordenen Wortes sinnlos geworden war) durch eine theologisch stimmigen "nachkonziliare" Fürbitte. Mithin ein "nachkonziliares" Element in einem "vorkonziliaren" Ritus - warum ist Küng nicht dafür? Aus seiner Warte her müßte es zumindest ein Schritt in die richtige Richtung sein.

- "nimmt notorisch antisemitische schismatische Bischöfe in die Kirche auf"

Warum keine Kritik daran? Kann man wirklich sagen, daß die Fellay, Galareta und Tissier (nicht nur theologisch vernagelt sondern auch) antisemitisch sind? Wenn ja, sind sie zumindest nicht notorisch - im Gegensatz zu ihrem Mitbruder Williamson

-"und nicht als fortbestehende Glaubensgemeinschaft mit eigenem Heilsweg [mit anderem Gott, vielleicht auch noch? Welcher Theologe war das außerdem noch mal, der davon gesprochen hat ..."

Von seiner Warte her, hat Küng aber Recht. Nur ist seine Warte her unhaltbar. Der Kirche ist aufgetragen Christus als der Weg, der Wahrheit und das Leben - und nicht ein Weg, eine Wahrheit (ohnehin ein Unfugsbegriff) und ein Leben - zu verkünden. Andere Religionen haben in der Verkündigung nichts verloren - und die meisten (auch fürbittenkritischen) Juden würden dem zustimmen.

-"Vertan die Chance, den afrikanischen Völkern zu helfen: im Kampf gegen ..."

die eigene Ausbreitung. Herr Küng sieht nicht ein, warum er denn den Globus mit den vielen Negerkindern teilen soll. Dumm, daß die Afrikaner dies eben nicht so sehen!

- "und differenzierte Bejahung neuer Forschungsgebiete wie Stammzellenforschung."

Oh, wer ist es denn der immerzu die (undifferenzierte) Stammzellforschung pusht und die Differenz zwischen (ethisch unproblematisch und ergebnismäßig erfolgreicher) adulter SZF und der (ethisch verwerflicher und bisher fruchtloser) embryonaler SZF verwischt? Benedikt oder die liberalen Freunde des Herrn Küng?

-"Vertan die Chance, den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils endlich auch im Vatikan zum Kompass der katholischen Kirche zu machen und ihre Reformen voranzutreiben. [... Außerdem ist er hier in seiner Leseweise des Konzils der evangelikalen Lesart der Bibel sehr nahe.]"

Warum der Seitenhieb gegen die Evangelikalen. Diese mögen durch ein bloßes "sola scriptura" etwas begrenzt sein, aber immerhin nehmen sie den biblischen Text ernst und erfinden nicht irgendwelche Geister oder zerschnippeln den Text (wie es der große Konzilsgegner Küng gewöhnlich tut).

Der letzte Punkt, verehrte [?]Bischöfe, ist besonders schwerwiegend. Immer wieder relativiert dieser Papst die Konzilstexte und interpretiert sie gegen den Geist der Konzilsväter [was war denn der "Geist der Konzilsväter" des IV. Laterankonzils in Bezug auf die Juden?] nach rückwärts. Er stellt sich sogar ausdrücklich

- "gegen das Ökumenische Konzil, das nach katholischem Kirchenrecht die höchste Autorität in der katholischen Kirche darstellt [ehrliche Frage: Kann man ihn für seinen, kaum kaschierten, Konziliarismus verurteilen? Weiß er übrigens eigentlich, dass das jüngste Konzil nicht dogmatischer Natur war?]"

Küngs Irrtum liegt nicht in einem Konziliarismus (was er hier über die Autorität eins Ökumenischen Konzils sagt ist pur katholische Ekklesiologie) sondern darin, daß er wahrheitswidrig behauptet, der Papst habe sich gegen das Konzil gestellt. Hat er nicht! Außerdem ist darauf zu beharren, daß ALLE Konzilien verbindlich sind - bei den ersten zwanzig muß man das gegenüber Herrn Küng sagen, beim letzten gegenüber jenen, die sich herausmogeln wollen. Das "nichtdogmatische" Konzil ist purer Schwachsinn, Mißbrauch einer (auch völlig unverbindlicher) päpstlicher Aussage zur Eröffnung und v.a. auch angesichts der Tatsache, daß das letzte Konzil zwei dogmatische Konstitutionen erlassen hat.

- "Er hat außerhalb der katholischen Kirche illegal ordinierte Bischöfe der traditionalistischen Pius-Bruderschaft, die das Konzil in zentralen Punkten ablehnen, ohne Vorbedingungen in die Kirche aufgenommen.[Zweifellos, Küng ist ein genialer Populist. Das Papstamt ist Amt der Einheit, besonders für solche Gruppen, die keine Glaubenssätze ablehen *wiederhol* ..."

Küng spricht hier zwar die Wahrheit, doch ist es Heuchelei, weil er selbst zentrale Aussagen dieses (und anderer) Konzilien ablehnt, selbst aber nie die verdiente Exkommunikation erhalten hat. Und nein, die SSPX ist in Sachen der Glaubenslehre nicht orthodox! *wiederhol*

- Er fördert mit allen Mitteln die mittelalterliche Tridentinische [Geschichtsnachhilfe für Küng: Wann war das Tridentinum?] Messe und feiert selber die Eucharistiefeier gelegentlich auf Latein mit dem Rücken zum Volk."

Sehr wahr! Und in welcher Sprache soll der Papst in Rom denn zelebrieren? Die Italiener verstehen das Latein ja alle ohne Probleme, Besucher von auswärts aber evt. das Italienische nicht.

- "versucht verheiratete anglikanische Geistliche [die die christliche Lehre aller vergangegen Jahrhunderte in den bekannten Punkten behalten wollen] durch Verzicht auf die Zölibatsverpflichtung in die römisch-katholische Kirche zu locken."

Worum diese gebeten haben. Außerdem eine größere Einheit und keiner der Anglikaner lehnt das letzte Konzil ab. Was hat Küng dagegen? Oder ist er nur grantig, weil er zölibatär bleiben muß?

- "Er hat durch Ernennung antikonziliarer Chefbeamter (Staatssekretariat, Liturgiekongregation u. a.) und reaktionärer Bischöfe [anstatt die Weltrevolution zu fördern, oder was will diese Diktion sagen?]"

Das wüßte ich auch gerne! Und welche "antikonziliaren" Bischöfe meint er denn? Den Hirten von Eichstätt, von Trier, von Freising-München?

-"und sich bestenfalls noch mit Ortsgemeinde und Ortsbischof [?] identifiziert."

Das ist wohl Appell an die Eitelkeit der Adressaten. Gerade mit der Verbindung zum Bischof (und Ortskirche ist nicht die Pfarrei sondern das Bistum) hapert es doch oft jenseits (und oft auch innerhalb) der Bischofsstädte.

- "Durch erneute barocke Prachtentfaltung [das ist am schlimmsten, stimmts, Alipius] und medienwirksame Manifestationen versucht man in Rom eine starke Kirche mit einem absolutistischen "Stellvertreter Christi" [welcher Konfession gehört Hansi noch mal an?]"

Dazu hat doch Hans Urs von Balthasar das nötige gesagt.

-"zu demonstrieren, der legislative, exekutive und judikative Gewalt in seiner Hand vereint."

Sinn- und geistlose Übertragung politischer Sprache in die Kirche, in der es 1. gar keine Exekutive gibt, 2. die Legislative zwar auch beim Papst liegt (aber eben auch bei Bischöfen und Konzilien), diese dann aber durch die Vorgaben von Schrift, Tradition und bisherigem Lehramt (Unfehlbarkeit, Herr Küng, gelle!?) begrenzt wird. Die Kirche ist letztlich vorabsolutistisch konstruiert.

- "vor allem wegen des Zölibatsgesetzes, [Küng möge bitte nie mehr diejenigen kritisieren, die solches auf das Konzil schieben] ihr Amt aufgegeben"

Ja, was sagt das Konzil bzw. dessen Väter noch mal zum Zölibat? Und was sagte Herr Küng vorhin über die böse, böse Aufweichung bei übertrendenen Anglikanern?

-"In manchen Ländern werden Kirchgemeinden wegen Priestermangel[s], oft gegen ihren Willen, zusammengelegt zu riesigen "Seelsorgeeinheiten" ..."

Gell, weil ja Pfarreien auch natürliche Einheiten sind, weil alle sich ihre Pfarrei aus allen anderen ausgesucht haben (so von wegen "Willen"!) und weil es auch gar nicht an den Pfarreien selbst liegt, wenn diese weniger Priester hervorbringen. Wie bemißt sich eigentlich diese "riesige" Größe - nach Meßbesuchern oder nach "Karteileichen"?

- "Noch am 18. Mai 2001 sandte Ratzinger ..."

Wieso "noch". Ratzinger und seine GLAUBENS-Kongregation waren erst ab diesem Zeitpunkt überhaupt mit dem Thema befaßt. Daß Küng anscheinend immer noch meint (oder so tut), daß "secretum" beziehe sich auf weltliche Justiz, erschreckt!

-"[Herr Küng, das ist volksverhetzende Demagogie. Ihre Lügen können Sie vielleicht mit Ihrem abgestumpften Gewissen vereinbaren, aber ich wünsche Ihnen, dass Sie diese noch vor Ihrem Tod bereuen.]"

Natürlich, denn Herr Küng ist ja auch eingestandenermaßen (!!!) ein vielfacher Meineidiger. Ich sage nur Antimodernisteneid!

-"Zahllose untadelige und hochengagierte Seelsorger und Jugenderzieher leiden unter einem Pauschalverdacht. [Daher sorgen Sie für eine auch noch Generalverdächtigung der Kurie und beschuldigen unseren Hl. Vater der Vertuschung, um Ihre Ideologien bei einem (in der öffentlichen Meinung) moralisch angeschlagenen Papst durchsetzen zu können.]"

Ich will das Küng nicht vorwerfen. Aber spätestens hier müßte er sein Loblied auf die Medien (den es ja zu verdanken sei, daß Benedikts reaktionäres Programm nicht durchkommt) zumindest relativieren. Da er es nicht tut, ist er entweder Heuchler oder schizophren.

-"4. Uneingeschränkter Gehorsam allein Gott geschuldet"

... und auch dem medialen Zeitgeist, sollte Küng ehrlicherweise hinzufügen, denn der ist ihm allemal wichtiger.

Aber wo bitte fordert der Papst und wo leisten die Bischöfe "uneingeschränkten" Gehorsam?

-"5. Regionale Lösungen anstreben [Weiß der Mann, was Bischofskonferenzen sind?]"

Oder auch Bistümer? Nein, es ist nicht nötig, daß in ganz Teutschland alles gleich ist!

"Ein besonders heikles Problem, das wissen Sie, ist das aus dem Mittelalter stammende Zölibatsgesetz, das gerade im Kontext der Missbrauchsskandale zu Recht weltweit in Frage gestellt wird."

Oben noch die "untadelige(n) und hochengagierte(n) Seelsorger" in Schutz genommen, Herr Kpng, nun aber kräftigt oben draufgeholz.

Kennt Küng die Konzilien von Elvira und Nicaea und den Papst Damasus? Aber die stammen ohnehin aus dem Mittelalter, so wie auch das Konzil von Trient!

Mal ganz abgesehen davon, daß Ideen wie "Ein Priester, der nach reiflicher Überlegung zu heiraten gedenkt" immer schon und überall (Ostkirchen) dem Kirchenrecht widersprochen hat.

Und wieso eigentlich "nach reiflicher Überlegung"? Wie will Küng diese überprüfen oder unterstellt er sie einfach?

"müsste nicht automatisch von seinem Amt zurücktreten"

Ebensowenig wie ein anderer, sich fehlverhaltender Priester. Gilt das auch für die jetzt in Sachen Mißbrauch als schuldig erkannten Priester (von den bloß beschuldigten ganz abzusehen)? (wendet der Advocatus Diaboli ein)

- "Das Reformkonzil von Konstanz im Jahrhundert vor der Reformation hat die Abhaltung von Konzilien für alle fünf Jahre beschlossen"

Was für einen ganz konkreten Fall galt. Aber die damals schwer nötige Kirchenreform ist ja (besser spät als nie) in Trient erfolgt! Wie ein Konzil ohne Papst funktioniert, hat man dann in Basel gesehen!

Angesichts der Einsetzuung Bischof Meisners in Köln forderte Küng damals den Staat zum Kirchenputsch auf, nun fordert er die Bischöfe zum Schisma auf. Nichts neues in Tübingen also!

Sonntag, 10. Januar 2010

Fehleranalyse - erbarmungslos oder skrupellos?

Jetzt wollte ich eigentlich etwas zum Thema Kässmannsche Weihnachtspredigt schreiben, doch mangelt es mir an Zeit und Zettel kommt mir mal wieder mit etwas anderem zuvor.

Im Beitrag Aktuelles zum Krieg der Dschihadisten (1): Ist Umar Farouk Abdul Mutallab ein Krimineller? Nebst einer Erinnerung an den Fall Khalid Sheik Mohammed

verweist er zunächst auf einen Talkshowauftritt des früheren New Yorker Bürgermeisters Rudy Guiliani. Dieser, hebt Z. lobend hervor, "analysierte mit erbarmungsloser Schärfe alle Fehler, welche die Regierung Obama und vor allem der Präsident persönlich in Bezug auf den gescheiterten Terroranschlag von Detroit machten".

Ich halte ja wenig vom Gerede von Nationalcharakteristika aber es scheint irgendetwas im Deutschen im allgemeinen und in manchen ganz besonders zu geben, daß sich für Extremismus begeistert: da genügt es nicht, daß Herr Guiliani analysiert, auch scharf analysiert, nein es muß gleich "erbarmungslos" sein, ganz als ob Erbarmen eine geistige Behinderung wäre, die es zu vermeiden gälte. Vor einige Tag las ich im gleichen Blog von einem Kommentator, Diplomatie müsse deutsche Interessen "eiskalt" vertreten und sonst nichts. Fehlt nur "blitzschnell" und wir hätten Hitlers Lieblingsworte beisammen.

Aber zurück zu Guilianis Ausführungen. Nichts ist mir ferner als Obamas Regierungstätigkeit zu entschuldigen. Es war schon sehr nervig über die Feiertage (daher war mein Fernsehkonsum um Größenordnungen höher als normal) den US-Präsdidenten dreimal Kritik an der Vorgehensweise beim versuchten Flugzeuganschlag üben zu sehen - ganz also ob nicht er selbst der (zumindest politisch) Verantwortliche sei. Klar, als Präsident sollte er mal gehörigst seine Geheimdienstler zusammenstauchen - aber eben nicht öffentlich und wiederholt. Öffentlich muß ein Chef die Verwantwortung für die Fehler seiner Untergebenen übernehmen. Das hat ihm wohl irgendein PR-Berater gesteckt und so hat schließlich doch noch Verantwortung übernommen.

Andere feiern solch ein Verhalten natürlich ab, wie die Wochenzeitung mit den vier großen Buchstaben, die jubelt "
Barack Obama weicht dem Terror so wenig wie sein Vorgänger Bush. Nur wirft er die Moral dabei nicht völlig über Bord." Richtig - wer keine Moral hat, so wie Obama oder Zeit, kann auch keine über Bord werfen. Obama wird nun gelobt, weil er kein naiver, liberaler Friedensapostel sei - Bush hat man für gleiches angefeindet als sei er der Leibhaftige. Doch nicht alle Kritik am Teleprompterpräsidenten ist gerechtfertigt (und für Zettel ist Obama genauso der Leibhaftige wie für andere GWB - höchstens "die Kommunisten" gehen da noch drüber. Man kann ihm das nicht vorwerfen, denn er ist nunmal "da nicht sehr differenziert")

Guiliani kritisierte laut Zettel vor allem
die Behandlung des Attentäters Umar Farouk Abdul Mutallab.

Dieser ist, sagte der Jurist Giuliani, ein feindlicher Kämpfer (enemy combatant), der innerhalb des Kriegs, den die Dschihadisten gegen die USA führen, eine Aktion unternommen hat; so etwas wie ein Kommando- Unternehmen. Er wurde dazu von der Kaida im Jemen ausgebildet und mit den für das Zünden einer Bombe erforderlichen Mitteln auf seine Mission geschickt.

Er ist kein Krimineller, sondern ein irregulärer Kämpfer. Es wäre richtig und völlig legal gewesen, ihn als solchen zu behandeln; ihn also zu verhören, festzuhalten und schließlich vor ein Kriegsgericht zu stellen, so wie das Präsident Bush für gefangene feindliche irreguläre Kämpfer angeordnet hatte; und so, wie es dem Völkerrecht entspricht.

An dieser Analyse ist nun einiges falsch.

Erstens wird das Problem verzerrt dargestellt. Einen "feindlichen Kombatanten" - und von diesem spricht Guiliani - kann die andere Kriegspartei nach geltendem Völkerrecht unbegrenzt festhalten, meist bis es zu einem Friedensschluß kommt. Das war immer unbestritten.

Es ging der Regierung Bush aber um "irregulären Kämpfern" (Zettel kann anscheinend nicht unterscheiden, wechselt er doch wiederholt zwischen den beiden
Begriffen hin und her), denn die Besonderheit von Al-Kaida-Angehörigen ist ja, daß sie kein Völkerrechtssubjekt vertreten mit dem man Frieden schließen könnte sondern eine Terror-NGO. Deshalb konstruierte bzw. wiederbelebten Bushs Leute den Begriff des "irregulären Kämpfers" und bestimmten, dieser sei weder Kriegsgefangener (der nach Friedenschluß freizulassen sei) noch Krimineller (der Anspruch auf einen Gerichtsprozeß habe) sondern etwas Drittes, den man auch ohne Prozeß unbegrenzt festhalten könne.

Ich habe dieser Position nie zugestimmt, doch wurde
Bush oft - meiner Meinung nach zu Unrecht dafür kritisiert, über das Problem überhaupt nachgedacht zu haben. Obama hat diese Position nun aber nicht etwa revidiert sondern nur erklärt, das amerikanische Lager in Guantanamo auf amerikanischen Boden zu verlegen. Nicht mehr, nicht weniger.

Die "irregulären Kämpfer", um die es geht sind jene, die von Amerikanern, ihren Verbündeten in Afghanistan oder in anderen Ländern aufgegriffen wurden. Diese waren Teil des Terror-Netzwerks, man konnte ihnen aber kein in den USA justiziables Verbrechen vorwerfen.

Daher verwundert es, wenn nun
Farouk Abdul-Mutallab in diese Kategorie fallen sollte. Hat er denn nicht versucht ein Verbrechen in den USA zu begehen? Natürlich ist er ein Krimineller und sollte als solcher behandelt werden. Für ihn braucht man das Konstrukt "irregulärer Kämpfer" nicht.Er wurde ja nirgends auf einem Schlachtfeld aufgegriffen, sondern beim Versuch, einen Anschlag zu verüben.

Es wäre ja auch fatal, dies zu tun. War es doch die RAF die in den Siebzigern (wie auch die IRA), die beansprucht hatte, "Kriegsgefangene" oder "politische Gefangene" zu sein. Die Bundesregierung hat es damals zu Recht abgelehnt, ihnen diesen Sonderstatus einzuräumen.

Dazu kommt noch, daß ein Verbrechungsverfolgung nicht das Recht eines Staates ist, sondern dessen Pflicht. Die USA sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten Verbrecher vor Gericht zu stellen und zu bestrafen. Darauf haben die Opfer und die gesamte Rechtsgemeinschaft einen Anspruch!

Aber Zettel bzw.Guiliani kommt mit ganz neuen Gründen, warum es nicht anginge, einen Verbrecher* als Verbecher zu behandeln.

(*Im folgenden ging es dann um
Khalid Sheik Mohammed, einen der Drahtzieher des 11. Septembers, der in der Tat in Pakistan aufgegriffen würde, also als "irregulärer Kämpfer" gelten könnte. Allerdings ist er auch klar Hintermann eines in den USA begangenen Verbrechens.)

-eine Internierung und Aburteilung innerhalb der USA sei ein Sicherheitsrisiko, weil hier ein Anschlag drohe. Dies ist aber ein rein organisatorisches Problem. Man kann Haft und Prozeß auch an sichereren Orten stattfinden lassen. Dies wollen Z. und G. aber nicht, womit auch dieses Argument unehrlich ist.

-Zettel schreibt auch der "Jurist" Giuliani halte den Ausgang Verfahrens für "höchst unsicher". Nun, es ist schon ein erschreckender Gedanke, nicht zu wissen, wie ein Gerichtsverfahren ausgeht. Welches Rechstverständnis haben denn dieser "Jurist" und dieser "Physiker"?

-Pure Heuchelei ist dann die erste Begründung für diese Unsicherheit. Der Angeklagte sei doch "in der Öffentlichkeit ja längst vorverurteilt." Weil die Öffentlichkeit (einschließlich der Herren Obama, Guiliani und Zettel) ihn bereits vorverurteilt hätten, dürfe er keinen normalen Prozeß haben, denn die Vorverurteilung könnte ja das gewünschte Ergebnis untergraben.

-Dann kommen Z. und G. darauf zu sprechen, daß ein solches Verfahren ein gefundenes Fressen für die "cleversten unter den aufstrebenden Anwälten der USA" sei. (Daß Zettel von "
ausgebufften lawyers" spricht ist wohl nur ein sinnloser Anglizismus, doch könnte man auch fragen, warum er Guiliani nicht auch als lawyer sondern als Juristen eingeführt hat. Da könnte man ja meinen, die seien vom gleichen Schlag, und das liegt nicht im argumentativen Interesse.) Es ist sicher nicht alles rosig im amerikanischen Rechtssystem (Zettel würde das aber nie zugeben!), nur müßte man das Problem an sich lösen anstatt für manche Sonderregeln einzuführen.

Zettel fürchtet die Anklage würde "aus formalen Gründen" zerpflückt "auch wegen des waterboarding, dem Khalid Sheik Mohammed mehrfach ausgesetzt gewesen war." Klar würde das ein Problem - eben weil amerikanische Gerichte die Fehler der Anklage zum Mittel zur Entschuldigung der Angeklagten nutzen anstatt die Schuldigen zu strafen. Aber das ist eben ein allgemeines Problem, war es schon bei O.J. Simpson.

-"Und dann sind da noch die Geschworenen. Wie in New York unparteiische Geschworene finden ..." Tja, wie nur. Wie in einem von einem Kindsmord aufgeschreckten Ort unparteiische Geschworene finden. Tja, bevor aufgebrachte Geschworene drankämen, lieber gleich Rübe ab! Das ganze ist ein Argument gegen Geschworenengerichte oder überhaupt gegen menschliche Gerichte - Zettel würde bestimmt gerne einen Justizautomaten haben - aber nicht dafür, diesen Verbrecher anders zu behandeln.
Das den Amerikanern zugefügte Leid ist ohnehin ein Unsinnsargument, denn Leid ist immer da, auch beim bloßen Mord. Von Geschworenen wird nicht verlangt, dem Verbrechen irgendwie neutral gegenüber zu stehen, sondern in der Schuldfrage im Zweifelsfall für den Angeklagten zu entscheiden.

Schließlich bring Zettel noch ein formales Argument. Nach dem Völkerrecht hätten die USA das Recht, "irreguläre Kämpfer" nach dem eigenen Recht abzuurteilen und solches liege in den von George W. Bush aufgestellten Regeln vor. Wohl wahr, aber völlig irrelevant. Denn so wie Bush die Regeln am 18. September 2001 aufstellen konnte, kann Obama sie nun auch ändern. Aber Zettel sagt, das von Bush gesetzte Recht gelte noch, werde von Obama nur nicht angewandt. Nun, das stimmt so nicht, denn die eigentliche Gesetzgebung sprach nur davon (wie Zettel selbst zitiert

That the President is authorized to use all necessary and appropriate force against those nations, organizations, or persons he determines planned, authorized, committed, or aided the terrorist attacks that occurred on September 11 2001, or harbored such organizations or persons, in order to prevent any future acts of international terrorism against the United States by such nations, organizations or persons.
Also wurde der Präsident autorisiert, alles nötige zu tun um die Anschläge von 2001 zu ahnden und weitere zu verhindern. Wenn nun Obama anderes für nötig hält, entspricht das völlig obigem Wortlaut, der ja auch nicht wirklich vom Detailfall "irreguläre Kombatanten" spricht, noch von der gewöhnlichen Strafverfolgung von Verbrechern entbindet.